Der Sand so weiß

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Ich sitze am Strand von Blanca Arena. Das heißt, eigentlich sitze ich in dem, was man bei uns Düne nennen würde. Hier ist dieser Hinterstrand bewachsen mit hohen, schattenspendenden Bäumen, was auch dringend notwendig ist, da die Sonne fast senkrecht stehend unbarmherzig brennt.

Vom Rio de la Plata her (der hier einem Meer gleicht, denn das gegenüberliegende argentinische Ufer ist nicht zu sehen) weht ein mittleres Windlein, was das Verweilen noch erträglicher macht.
Vor mir geht ein sandiger Durchgang zum Strand, rechts am Rand eines dieser rostigen halben Müllsammelfässer, wie sie hier vor jedem zweiten Haus stehen (und täglich geleert werden). Ganz vorn an der Wasserkante dämmern die leeren Klappstühle der hinter mir im Schatten mittagessenden Familie ihre Siesta vor sich hin.
Das „Meer“ ist etwas bräunlich, der Rio de la Plata bringt feinsten Schlamm mit von seiner weiten Reise, was jedoch das Badevergnügen in keinster Weise beeinträchtigt.
Der Strand ist unendlich, quasi die ganze mehr als 600 Kilometer lange Küste Uruguays an Rio de la Plata und Atlantik ist playa. Menschen dagegen sind hier im interno, also wo nur die Einheimischen hingehen, Mangelware. Die 400 Meter, wo es voll ist, sitzt aller zehn Meter eine Familie unter ihrem Schirm auf Klappstühlen und trinkt Mate. Das ist Kult hier: Thermosflasche unter den Arm geklemmt, den runden Matebecher in der Hand und am bombillo zutschend. Letzterer ist eine Art Strohhalm aus Metall, der am unteren Ende ein Sieb mit sehr feinen Löchern hat, so dass beim Trinken die Teeblätter außen vor bleiben.
Auf diese Weise geht es dann nuckelnd durch die Gegend, echt uruguayisch (sprich: uruguaschisch) eben.
Ich konnte nicht umhin, mir auch so ein Teenuckelchen zu kaufen – und siehe da, es hat beim Schwarztee aus Keda (Georgien – vom Sommerurlaub), der auch beim langen Ziehen nicht bitter wird, seine Bewährungsprobe bestanden. Nun fühle ich mich zugehörig.
Ansonsten fällt mir in dieser Gegend Uruguays auf, dass hier vieles sympathisch einfach und schlicht ist. Unser ganzes deutsches Überdrehtsein fehlt völlig.
Der Campingplatz ist noch ein Zelt-Platz; gegrillt wird auch bei einem Wetter, das bei uns schon Waldbrandwarnstufe 17 auslösen würde; die Sanitäreinrichtungen sind simpel, aber mit inclusivem Warmwasser. Die Leute sind tranquilo, freundlich, zugewandt, ohne einem auf den Wecker zu gehen. Unser Zeltnachbar kam kurz nach unserer Ankunft auf mich zu, um mir anzubieten, dass wir gern unsere Sachen in seinem Kühlschrank (er hatte wirklich einen normalen Haushaltkühlschrank mitgeschleppt) fresco halten könnten. Seitdem grüßen wir uns nach dem Aufstehen, wechseln ein paar Worte, und unser Wein kühlt bei ihm.
Was mir sehr auffiel: Es ist sauber hier. Ob in Spanien, Georgien, der Ukraine… – überall, wo wir waren, hieß „einfaches Leben“ oft auch: einfache Müllentsorgung: alles liegenlassen oder in die Gegend schmeißen. Was in Zeiten der überall pandemisch zunehmenden Plasteflaschen und -beutel sowie Bierbüchsen dann eben einfach nur noch mistig aussieht.
Das scheint hier anders zu sein. Nix, wirklich fast nix, liegt in der Gegend rum. So sieht es überall einfach natürlich und natürlich einfach aus.

Ich freue mich darüber, dass uns das Leben immer wieder so abseits der Schauspielerei für Touristen führt – hinein ins authentischere Dasein. Das ist manchmal weniger spektakulär, berührt aber und hinterlässt nachhaltige Eindrücke.

So war es gestern, als wir spazierend am Wasserrand, eine Gewitterfront hinter uns, auf eine andere zumarschierten. Zwischen beiden das wechselnde Spiel der Sonnenfarben und Wolkenformen, alles wunderschön sichtbar über dem weiten Rio de la Plata. Fantastisch.
Als wir dann meinten, es in unseren Haaren leicht knistern zu hören, wurde es uns doch etwas mulmig und wir kehrten um. Und siehe da, kaum 200 Meter gegangen, sahen wir, wie die dunklen Wolken, auf die wir so lange zugelaufen waren, sich auf einmal langsam auflösten. In der Ferne wurde es heller, und die schwarze Wolke zog langsam zerbröselnd über unseren Köpfen hinweg. Diese Farben! Das war ganz großes Kino – ohne Eintritt.

Noch ein Nachtrag für de LeserInnen von „Buenos Aires“:
Der Schlüssel von Constanza aus Colonia fand sich in der Tat unter dem Teppich. Doch Constanza haben wir die ganzen drei Tage nicht zu Gesicht bekommen, dafür das komplette Haus bewohnt und ihre superschlanke Katze Ela gefüttert. Natürlich haben wir beim Abschied die Schlüssel wieder unter dem Teppich deponiert.